DISCLAIMER


Wie immer gilt: Ich schreibe hier nur aus meiner ganz persönlichen Erfahrung. Jede Frau ist anders, jede Entscheidung darf anders ausfallen als meine. Mir geht es einzig und allein darum, dich zu motivieren auf dich und deinen Körper zu hören.

Ich bin keine Ärztin oder Hebamme und kann keinen Arztbesuch ersetzen. Wenn ich mich dafür entschieden habe nicht auf die Ärztin zu hören, dann habe ich mich für mich persönlich entschieden. Diese Entscheidung kann ich dir nicht abnehmen, noch bin ich für deine Entscheidung verantwortlich. Mir geht es nur darum, meine eigene Sichtweise darzulegen und zu teilen. Die Infos zu teilen, dass es auch andere Möglichkeiten gibt. Eine professionelle Beratung ersetzt dieser Blogbeitrag natürlich nicht.

ES IST NICHT LEICHT


Es ist fast ein Jahr her, dass ich schwanger war. Lange wollte ich ausführlich darüber schreiben und lange fiel es mir schwer. Ich fühle den starken Drang, alles, was zu mir als Frau und Mutter gehört, zu teilen. Denn wie auch anders? Ich kann mir keinen anderen Weg vorstellen als all mein Wissen und meine Erfahrung weiterzugeben. Austausch ist so wichtig, damit wir uns nicht alleine fühlen. Damit wir voneinander lernen können. Die Erfahrung anderer Frauen hat mir sehr durch diese Zeit geholfen. Leider gibt es im Internet noch viel zu wenige Infos darüber. Es ist ein Tabuthema. Fehlgeburten machen so viele Frauen alleine durch. Es wird geschwiegen. Es wird nicht verarbeitet. Damit will ich ein Ende setzen. 

Blog Fehlgeburt Kleine Geburt

MEINE ERSTE FEHLGEBURT


2011 war ich das erste Mal in meinem Leben schwanger. Es war nicht geplant und trotzdem freuten wir uns sehr über dieses Glück. Ich war Anfang zwanzig, trotzdem fühlte ich mich bereit, Mutter zu sein.

Wir hielten uns brav an die Regel, es innerhalb der ersten drei Monate keinem zu erzählen. Dabei empfand ich es damals schon als ziemlich übertrieben. Warum dieses Glück nicht aus Angst teilen? Angst, dass es nicht klappt und wir dann das Unglück mitteilen müssen? Wir warteten. Alles lief gut. Und trotzdem bekam ich nach 14 Wochen die Info, dass das Herz nicht mehr schlägt. In diesem Moment brach die Welt für mich zusammen. Ich fühlte mich so furchtbar leer.

Meine Ärztin war freundlich, versuchte trotzdem mir die nächsten Schritte zu erklären. Ich hörte teilweise zu, doch die meiste Zeit weinte ich. Leise. Denn ich traute mich nicht vor der Ärztin alles rauszulassen.

Ich nahm alle Infozettel und die Überweisung für die OP mit und ging nach Hause. In dem Moment fühlte ich mich so einsam.

Ich wusste nicht wohin mit all dem Schmerz. Durfte ich überhaupt so trauern? Es ist ja kein richtiges Kind, dachte ich mir damals.

 

Mein Mann und ich fuhren dann zwei Tage später bereits zum Arzt, um einen Termin für die OP zu machen, die zwei Tage später bereits stattfand. Ich wusste nichts von einer Alternative. Für mich fühlte es sich so an, als ob es gar keine andere gebe. Nur eine OP. Schnell.

Bei der Untersuchung fragte mich die Arzthelferin, ob das eine Abtreibung sei oder eine Fehlgeburt. Mit einem Unterton, der mich ziemlich baff gemacht hat. Egal warum eine Frau eine OP macht, es ist niemals leicht. Es tut immer weh.

 

Die OP verlief schnell. Ich wachte auf und fühlte mich noch leerer. Alles verlief gut. Doch der Schmerz war immer noch da.

Eine Woche wurde ich krankgeschrieben und sollte mich erholen. Ich blutete stark. Lag nur weinend auf dem Sofa und wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte. Ich hatte niemanden, den ich fragen konnte. Ich war damals die erste von meinen Freundinnen, die das durchgemacht hatte. In der Familie redet man nicht über solche Dinge. Also saß ich da, alleine und versuchte irgendwie das Ganze irgendwo in mir zu verstauen. Diesen Schmerz zu verdrängen und mich „zusammenzureißen“.

 

Der einzige Ausweg war für mich damals, so schnell wie möglich wieder schwanger zu werden. Diese Leere zu füllen. Jetzt weiß ich, dass ich mir hätte Zeit lassen sollen. Doch damals sah ich keinen anderen Ausweg.

 

Ich bin relativ schnell schwanger geworden und meine Tochter ist ein wundervoller Schatz. Ich liebe sie so sehr.

Doch der Schmerz ist geblieben. Ich habe ihn in meiner Gebärmutter verstaut. So viele Jahre.

Blog Fehlgeburt Kleine Geburt
Blog Fehlgeburt Kleine Geburt

AGAIN


2022. Ich halte einen positiven Schwangerschaftstest in der Hand. Ich wusste es bereits. Ganz tief in mir. Ich freute mich.

Zwei wunderbare Töchter und ein drittes Wunder.

 

Die ersten drei Monate der Schwangerschaft verliefen normal. Mir war übel, ich war müde und erschöpft. Dieses Mal beschloss ich aber es allen zu erzählen. Warum? Ich hatte keine Lust mir irgendwelche Ausreden einfallen zu lassen, warum ich keine Lust auf Wein habe. Ich hatte keine Lust auf seltsame Bemerkungen, warum ich müde bin und keine Lust auf Unternehmungen habe. Ich wolle nicht alles für mich behalten. Alles alleine durchstehen. Nicht nur Glück sollte geteilt werden, auch Leid.

 

In der 14. Woche fuhren mein Mann und ich zum Arzt. Das war auch mein erster Termin. Seltsamerweise wollte ich den Termin kurz vorher absagen. Ich hatte plötzlich Angst. Tief in mir spürte ich, dass etwas nicht stimmt. Wie so oft tut man diesen inneren Impuls als übertrieben ab. Doch dieser Impuls erwies sich als richtig. Seit der 13. Woche wuchs der Fötus nicht mehr.

Kein Herzschlag. Es traf mich wie ein Schlag. All der Schmerz war wieder da. Auch der vor über zehn Jahren.

 

Meine Frauenärztin suchte nach tröstenden Worten. Wieder empfahl sie eine OP, da der Fötus zu groß sei, um alleine abzugehen. Meine erste Reaktion nach den Infos war, dass ich mich weigerte eine OP zu machen. Meine Ärztin saß etwas baff hinter ihrem Schreibtisch und fragte mich, ob ich sicher wäre. JA, das war ich. Ich unterdrückte meinen Impuls nicht. Ich ließ die Worte zu, die aus mir wollten. Ich vertraute mir und meinem Körper. Ich wusste, dass ich es schaffe. Egal wie lange es dauern würde.

Blog Fehlgeburt Kleine Geburt

KLEINE GEBURT


Ich habe über die kleine Geburt das erste Mal in einem Podcast gehört. Nicht durch meine Ärztin. Nicht durch Erzählungen.

Ich war froh bereits zu Beginn eine Hebamme zu haben, die mich dazu auch beraten hat. Sie hat mich bestärkt, dass ich auf meinen Körper hören soll. Ich kann es gar nicht oft genug sagen: HEBAMMEN SIND GOLDWERT.

 

Ich wusste ungefähr, was das ist, doch so richtig eigentlich auch nicht. Warum? Weil jede Frau es ganz anders erlebt und auch die Dauer ganz unterschiedlich ist. Das ist es, warum viele Ärzte es nicht erzählen. Die können dir nicht konkret sagen, wie es sein wird. Dir keine genaue Zeitangabe geben. Sie können dir eine Tablette in die Hand drücken, damit es sofort losgeht. Aber dass du auf deinen Körper und deine Intuition hörst, das kann dir keiner abnehmen. Ich habe diese Eigenverantwortung für mich übernommen und ich würde es immer wieder genau so machen.

 

Eine Woche passierte nichts. Ich fühlte mich sogar noch etwas schwanger. Ich stand am Fenster, schaute nach draußen. Ich hatte ein Salbeibündel in der Hand und räucherte mich aus. Ich sagte immer wieder, dass ich bereit wäre loszulassen. Dass ich die Seele loslasse, die für drei Monate ein Teil von mir war.

Genau in diesem Moment spürte ich einen starken Druck in meiner Gebärmutter. Es waren Wehen. Als ich auf die Toilette rannte, entleerte sich meine Fruchtblase und die kleine Geburt begann.

 

Mit jedem Wehe, das ich durchlebte, fühlte auch ich ein Stück des Schmerzes gehen.

 

Ich fühlte ständig einen Druck. Rannte auf die Toilette und jedes Mal entfernte sich etwas aus meiner Gebärmutter. Dieser Prozess zog sich drei Tage hin. Am zweiten Tag entfernten sich auch Teile meiner Gebärmutter. Gerade in dieser Zeit war es gut, das mit meinem Mann zu teilen. Alles alleine zu überstehen kam nicht in Frage. Auch meine Kinder habe ich eingeweiht.

 

Am dritten Tag fühlte ich mich sehr schlapp und konnte kaum noch laufen. Mein Kreislauf ist zusammengebrochen. Meine Hebamme hatte mir zwar gesagt, dass ich zur Not ins Krankenhaus fahren soll, doch ich wusste, dass ich es schaffen werde. Ich wollte nicht ins Krankenhaus. Ich wollte auf meinen Körper vertrauen.

 

Ich habe während der kleinen Geburt geweint, geschlafen, versucht zu essen, um genug Energie zu haben und mich in den Arm nehmen lassen. Ich habe gar nicht erst versucht, nach Außen hin stark zu sein. Denn so zu tun, als ob man keinen braucht und man alles alleine geregelt bekommt, kostet so viel Kraft. Wozu?

 

Am vierten Tag, als die Wehen und der Druck weg waren, fühlte ich mich bereits viel besser. Leichter.

WARUM UNS KEINE ZEIT GEGEBEN WIRD


Zur Nachuntersuchung war ich bei meiner Ärztin. Es war eine Woche vergangen seit der kleinen Geburt. Meine Ärztin war überrascht, dass es doch so schnell von alleine losging. Während der Untersuchung sah sie aber noch einiges an Gewebe, das in meiner Gebärmutter noch übrig war. Ich war nicht überrascht. Meine Blutungen waren auch noch nicht vorbei und es kamen immer noch Plazenta usw. raus. Sie empfahl mir wieder eine OP, doch ich blieb dabei, mir und meinem Körper Zeit zu geben.

Ich wusste, dass sich nach jeder Periode mehr Gewebe entfernen wird. Nur dass es etwas Zeit brauchte.

 

Warum lassen wir uns keine Zeit? Wie auch, wenn wir überall unter Druck gesetzt werden. Der Natur wird nicht vertraut. Unseren Körper haben wir nie richtig kennengelernt und die Medizin geht immer auf Nummer sicher und wählt den bekannten und schnellen Weg. Es wird selten eine Alternative angeboten. Oft habe ich auch von anderen Frauen gehört, dass sie den Gedanken, einen toten Fötus im Körper zu haben, nicht ertragen konnten und sich daher für die schnelle Variante entschieden haben.

 

Wir haben uns so weit von unserer Natur entfernt, dass wir die Prozesse gar nicht mehr wahrnehmen. Dass es uns triggert, eine normale vaginale Geburt anzuschauen. Wir reden nicht über den Tod und vermeiden alle vermeintlich negativen Emotionen. Geburt, Tod und Wiedergeburt. Das ist der Verlauf des Lebens. Es tut weh und das darf es auch. Es muss nicht sofort alles geflickt werden und entfernt werden. Du darfst dir Zeit lassen. Ich habe mir Zeit gelassen und das war die beste Entscheidung, die ich für mich treffen konnte.

Blog Fehlgeburt Kleine Geburt

ABSCHIEDSRITUAL


Durch die kleine Geburt konnte ich loslassen und meinen Gefühlen freien Lauf lassen. Mir war es aber auch wichtig, Abschied zu nehmen. Dafür habe ich mich gleich von beiden Kindern verabschiedet. Da ich von dem ersten nichts hatte zum Vergraben, habe ich einfach auf einen Zettel geschrieben, dass ich dankbar dafür bin, dass wir diese kurze Zeit gemeinsam verbracht haben. Du kannst hier entweder ein Stück der Plazenta oder was auch immer du hast, vergraben. Ich habe eine Kerze angezündet und mich nochmal bei beiden Seelen bedankt und ihnen alles Gute gewünscht.

WAS ICH MITNEHME


Ich habe anhand dieser zwei so unterschiedlichen Fehlgeburten für mich verstanden, dass ich meinen Körper sehr gut wahrnehme und auch darauf vertrauen kann. Ich fühle mich nicht mehr machtlos, sondern kann und werde die Eigenverantwortung für mich übernehmen. Ich bin stärker geworden. Stärker geworden meine Wahrheit auszusprechen.

Deine Wahrheit kann ganz anders aussehen und das ist völlig in Ordnung. Es geht viel mehr um den Austausch zwischen Frauen, der heutzutage in unserer Gesellschaft so sehr fehlt. Du bist nicht allein. Sich Hilfe suchen ist kein Zeichen von Schwäche, sondern reine Stärke.


Ich sende dir viel Liebe und hoffe, dass du diese Erfahrung niemals machen musst. Falls doch, dann sende ich dir Kraft,

damit du loslassen und Abschied nehmen kannst.


Deine Viktoria